Mit Commoning aus der Klimakatastrophe

Viele sorgen sich um die Klimakatastrophe. Manche davon übersehen dabei deren wichtigsten Faktor, die Form des Privateigentums und seine überwältigende Dynamik. Sie blenden deren gesell­schaftlichen Zusammenhänge aus und ignorieren das Privateigentum, als sei es neutral.

Ziel dieses Textes ist es, das Verhältnis von Privateigentum, Tausch, Warenform, Geld, Markt hin zu einer unbändigen Produktion zu problematisieren, die zu einer Klima­katastrophe führt. Im Abschnitt Vision benennen wir unsere Perspektive, danach unsere ersten Schritte auf dem Weg dorthin. Wir ermuntern alle zu gemeinsamen Schritten in eine bedürfnisorientierte Richtung.

Mit dem Prinzip Privateigentum in die Klimakatastrophe

Eigentum ist ein Verhältnis zwischen Menschen gegenüber Sachen. Historisch betrachtet ist es heute im Kapitalismus das Recht Dinge zu nutzen oder zu zerstören, sie zu verkaufen, zu vermieten oder mit Kredit zu belasten. Eigentum regelt die Verfügungs­hoheit. Von Eigentum unterscheiden wir Besitz als untergeordnete Nutzungsvereinbarung. Zum Beispiel eignet der Eigentümer die Wohnung, der Mieter besitzt sie, sie ist in seinem Besitz. Die Bibliothek eignet das Buch; wenn ich es mir ausleihe besitze ich es. Mein Nachbar eignet die Bohrmaschine; wenn er sie mir leiht, dann werde ich zeitweiliger Besitzer, er bleibt Eigentümer.

Individualeigentum gehört einer Person. Kollektiveigentum gehört mehreren Personen oder einer Körperschaft, zum Beispiel einer Aktiengesellschaft oder einer Genossenschaft. Individual- und Kollektiveigentum bilden das Privateigentum. Privateigentümer*innen grenzen sich von dritten Nichteigentümer*innen ab, die keine Verfügungshoheit darüber haben.

Kapitalismus beruht auf dem Prinzip Privateigentum. Es folgen Verknüpfungen seiner Dynamik, die wir selbst mit der Anerkennung des Prinzips Privateigentum lostreten.

Vom problematischen Prinzip Privateigentum zu seiner Eigendynamik

Privateigentum und damit Geld fallen weder vom Himmel noch stecken sie in den Dingen; es gilt nur als von uns gemeinsam anerkanntes Verhältnis zwischen Menschen gegenüber Dingen. Unsere Anerkennung ist teils freiwilliger Akt, teils erzwungen von der staatlichen Aufsichtsgewalt, die den stummen Zwang der Verhältnisse einrichtet. Mit der Anerkennung des Privateigentums als Grundprinzip des Kapitalismus landen wir bei uns selbst. Unerheblich ob freiwillig aus vermeintlicher Einsicht oder erzwungen: wenn wir Privateigentum anerkennen halten wir die hyperproduktive und gleichzeitig zermalmende Eigendynamik des Marktes am laufen.

Privateigentum und äquivalenter Tausch sind aufs engste miteinander verwoben. Äquivalenter Tausch ist der abgeschlossene Wechsel von Ware gegen Ware oder Geld zwischen zwei Parteien. Dabei wird einer Sache ein exakter Wert beigemessen. Tausch wird bedingt von Privateigentum, welches den Tausch als Prinzip erzwingt, da wir in der modernen arbeitsteiligen Gesellschaft nicht alle Dinge selbst herstellen und dies auch nicht wollen. Äquivalenter Tausch führt zur Warenform.

Dinge, die für den äquivalenten Tausch bestimmt sind nennt man Waren. Sie werden nicht für den Eigengebrauch hergestellt, sondern um getauscht zu werden, da wir durch das Privateigentum von den Dingen unseres Bedarfs getrennt sind. Zur Unterscheidung nennt man Dinge, die für den direkten Bedarf hergestellt werden Güter.

Zum Beispiel ist ein unverkäuflicher See mit freiem Zugang ein Gut, also güterförmig, nicht-warenförmig; wenn dieser See verkauft oder eingezäunt wird, um Eintritt zu verlangen wird er warenförmig. Ein Buch, das von einem Verlag verkauft wird ist in der Regel warenförmig hergestellt worden, um verkauft zu werden. Solang es weiterverkauft wird, ist es warenförmig. Sobald es von einer Bibliothek angekauft wird, ist es nicht mehr warenförmig, dient nicht mehr zum Tausch, es wird güterförmig.

Die Warenform ist die Elementarform des Kapitalismus. Die Ware ist sein Elementarteilchen. Warenform führt zur Warenproduktion.

Heutzutage ist Warenproduktion der Regelfall. Dinge werden hergestellt, um sie (gegen Geld) zu tauschen, bzw. zu verkaufen. Kapitalismus ist ein warenproduzierendes System bzw. eine warenproduzierende Gesellschaft. Eine günstige Bedingung für die Waren­pro­duktion ist das gesellschaftliche Verhältnis, in der dieser Tauschvorgang derart üblich ist, dass man in der Regel nicht mehr darüber nachdenkt. Warenproduktion führt zum Markt.

Markt nennt man in funktioneller Hinsicht das Zusammentreffen von Angebot und (zahlungsfähiger) Nachfrage, durch das sich Preise bilden. Der Markt führt zu Geld.

Geld ist abstrakter Reichtum. Es ist Mittel zum Zugriff auf die gesamte Warenwelt. Die Tauschenden müssen nicht die jeweils gewünschte Ware bereithalten, sondern man tauscht gegen ein verallgemeinerndes Ding, das Geld. Geld ist nur Ausdruck von Tausch und Privateigentum; es entsteht nachfolgend. Es nützt also nichts, Geld(-artiges) zu meiden und zu glauben Tausch sei harmlos. Geld ist als abstrakter Reichtum unendlich anhäufbar und generiert Macht über andere Menschen. Alle Elemente der Produktion, also Planung, Rohstoffe, Lohnarbeitende, Abfall, Profit, werden nur als Geldgröße gesehen.

Vom Wachstumszwang zur Produktion ohne Ende

Produktionszweck der Unternehmen im Kapitalismus ist es, aus Geld mehr Geld zu machen. Geldvermehrung ist nicht nur Zweck, sondern sogar Notwendigkeit: Durch das getrennte Nebeneinander der Produzierenden entsteht eine Konkurrenz um Marktanteile. Wenn ein Unternehmen für den Markt zu hohe ökologische oder soziale Standards einführt, dann wird ein anderer Konkurrent es preislich unterbieten. Eine hohe Stückzahl in einem Betrieb zu produzieren ist in der Regel günstiger als wenig zu produzieren. Mit hoher Stückzahl hat ein Betrieb Vorteile im Wettbewerb, kann andere in der Konkurrenz unterbieten und sie ausstechen. Daher der notwendige Trend zur Massenproduktion und zu Fusionen von Unternehmen. In der marktwirtschaftlichen Produktion fehlt die Ab­sprache, wie hoch der zu deckende Bedarf aller Menschen ist. In ihr gibt es kein Genug.

Vom unersättlichen Ressourcenbedarf zur Klimakatastrophe

Das unabgesprochene Gegeneinander der Unternehmen sorgt für Überproduktion bei gleichzeitiger Verknappung der Waren, um sie zu verkaufen. Dabei wird parallel sowohl mehr hergestellt, als genutzt wird, sowie mehr als für ein jeweils gutes Leben benötigt wird. Um in der Konkurrenz zu bestehen, muss schnell und viel produziert werden. Dafür werden so viele Ressourcen verbraucht, wie es für dieses Wettrennen notwendig ist. Bei diesem Ressourcen­verbrauch werden derart viele klimarelevante Gase ausgestoßen, dass es zur Klimakatastrophe kommt, wenn wir nicht die grundlegende Dynamik wandeln, die wir mit der Anerkennung des Privateigentums in Gang setzen.

Staatliche Politik kann dieser Dynamik nur bedingt etwas entgegensetzen. Staatspolitik muss sich um eine florierende Wirtschaft kümmern, weil sie von deren Steuereinkünften abhängig ist. Deshalb ist staatliche Politik nicht als Adressatin von Forderungen nach bedürfnisorientierter und tauschfreier Zusammenarbeit tauglich.

Vision: Gemeinsam eignen, kooperativ entscheiden und uns global gegenseitig versorgen

Welche Welt wollen wir für uns entwickeln und den folgenden Generationen hinterlassen? Eine Welt, in der die Bedürfnisse aller bedeutsam sind; in der wir Geld und Herrschaft überwunden haben. In der die Menschen gelernt haben, sich gemeinsam mit gesellschaftlichem Eigentum freiwillig gegenseitig zu versorgen. Wenn wir gemeinsam sagen, meinen wir alle Menschen rund um den Erdball. Dazu sind kaum technische Entwicklungen, sondern vor allem soziale Entwicklungen notwendig.

Gesellschaftliches Eigentum ist die Eigentumsform, die wir befürworten. Wir eignen gesellschaftlich, verwalten es kooperativ, und nutzen es individuell. Wir orientieren uns daran, Individualeigentum zu Kollektiveigentum zusammenzulegen, wie Öltropfen, die zu größeren Feldern verschmelzen, bis sich ein gesellschaftliches Eigentum ergibt. Wie wir den Eigentumsbestand und den Verfügungskreis erweitern, müssen wir neue, passende und befriedigende Organisierungsformen finden, die uns weitere Handlungsmöglichkeiten bieten. Mit gesellschaftlichem Eigentum hören wir auf zu ver/kaufen und fangen an zu teilen und uns arbeitsteilig gegenseitig zu versorgen. Dadurch, dass wir unsere Wünsche zusammen­zählen und nur soviel Haltbares herstellen, wie wir brauchen sparen wir Rohstoffe ein und schützen die Umwelt. Gleichzeitig verfügen wir über mehr freie Lebenszeit. Gesellschaftliches Eigentum erlaubt uns auf Augenhöhe Entscheidungen zu finden. Denn keiner hat die Hoheit über mehr Reichtum als andere, was bisher zu ungleicher Verhandlungsmacht führt. Uns auf Basis gesellschaftlichen Eigentums zu koordinieren ist nicht einfach, es ist ungewohnt, aber wir können uns darin üben.

Wenn wir gemeinsam entscheiden sind einige Entscheidungen sinnvollerweise global zu treffen, zum Beispiel in der Klimapolitik und Rohstoff­verteilung; für andere Entscheid­ungen mag es ausreichen sie in kleineren Einheiten zu treffen. Solche Entscheidungen sind Empfehlungen, die auf Freiwilligkeit beruhen. Kooperative Entscheidungsfindung, auf die wir setzen, umfasst alle Methoden, in denen Problemstellung und Lösungs­ansätze gemeinsam besprochen und gefunden werden. Sie weist über Demokratie hinaus.

Uns global gegenseitig zu versorgen schafft die materiellen förderlichen Bedingungen sich seinen Bedürfnissen zu widmen und darum zu kümmern, während man die anderen einbezieht. Gemeinsam einbeziehend zu produzieren, verteilen und pflegen nennen wir Commoning. Wenn wir uns am Commoning orientieren, können wir die Klimakatastrophe zu einer Klimakrise abschwächen.

Verschiedene Wege: Commoning hat viele Formen

Es gibt unterschiedliche Wege unsere Bedürfnisse durch Commoning zu befriedigen.

Wie wollen wir als Verein teilbar e.V. zu unserer Vision beitragen? Wir analysieren Probleme so grundsätzlich wie uns möglich. Wir untersuchen Wirkungen verschiedener Eigentumsformen. Wir tragen selbst zum Teilen bei, überdenken unsere Projekte und dokumentieren unsere Gedanken. Die gewonnenen Erkenntnisse überprüfen wir in unserem Alltagsleben.

Konkret fangen wir mit dem Projekt teilbar klein an: einem Teilraum, in dem wir Werkzeug, Dinge für Haushalt, Freizeit und für Kinder teilen. Diese Bibliothek der Dinge machen wir aus praktischen, ökologischen und gesellschaftlichen Gründen. Wenn sich Leute Gegenstände teilen, dann können sich in der Gesellschaft wesentlich mehr auf diese Weise verbundene Menschen mit einem Pool von Dingen versorgen und weniger Ressourcen verbrauchen. Das schont Umwelt und Klima. Gesellschaftlich bauen wir ein neues Verhältnis zu uns und den Dingen auf, und versuchen zeitweise Ratlosigkeit auszuhalten, damit wir weiterhin bereit sind, den Dingen auf den Grund zu gehen.

Da jede_r woanders steht, bleibt uns nichts übrig als sich immer wieder erneut zu orientieren, eigene Schritte auszuprobieren und neue Wege zu schaffen. Wir laden euch ein, im Projekt teilbar vorbei zu kommen und mit zu machen.

Literaturempfehlungen:

  • Alfred Fresin: Wie kommt der Kapitalismus an sein Ende? Kritik an Vorstellungen zum Abgang dieser Ökonomie; Verlag Peter Lang
    online: https://www.alfredfresin.at/
  • Silke Helfrich/David Bollier: Frei, fair und lebendig. Die Macht der Commons; transcript Verlag; Gratis Download: https://www.transcript-verlag.de/978-3-8376-4530-9/frei-fair-und-lebendig-die-macht-der-commons/?c=311000216
  • Simon Sutterlütti/Stefan Meretz: Kapitalismus aufheben. Eine Einladung, über Utopie und Transformation neu nachzudenken; Verlag VSA
    Kostenloser Download: https://commonism.us/
  • Norbert Trenkle: Lizenz zum Klima-Killen. Warum der Glaube an die CO2-Steuer illusionär ist und es keine „ökologische Marktwirtschaft“ geben kann; online: http://www.krisis.org/2019/lizenz-zum-klima-killen/
  • Artikel „Commons“ auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Commons

Diesen Entwurf gerne kommentieren. Version 20. Nov. 2020